Multimediaprogramm der Grupo Sal

Die Grupo Sal spielt lateinamerikanische Musik, die einen Rahmen bietet für eine „Reihe von Gesprächen mit live-zugeschalteten Intellektuellen, Forschenden, Aktivist*innen und Politiker*innen aus allen Kontinenten, die an bedeutenden sozial- und umweltpolitischen Auseinandersetzungen beteiligt sind.“ Die sechs Musiker verstehen unter Pluriversum „die Erkenntnis, die Anerkennung und die Verbreitung einer unerkannten bzw. unterdrückten Vielfalt von emanzipatorischen Perspektiven.“.

Gemeinsam mit der Journalistin Sandra Weiss moderiert Alberto Acosta die Veranstaltungen. Der frühere Energie- und Bergbauminister Ecuadors ist einer der Initiator*innen des Volksentscheids gegen die weitere Abholzung des Yasuní-Nationalparks, das am 20. August 2023 mit 60 Prozent der abgegebenen Stimmen gewonnen wurde. Über dieses historische Ereignis berichtete er in der taz vom 21.08.2023 im Gespräch mit Sandra Weiss.

Auf der Herbsttournee im September und Oktober 2023 werden beide auch das Pluriversum-Buch vorstellen. Dazu gibt es Videoprojektionen des Künstlers Johannes Keitel, mit denen die angesprochenen Themen visuell verdichtet werden.

Ein Buch für alle

Mittlerweile wurde das Pluriversum in viele Sprachen übersetzt. Die Übersetzung der deutschen Ausgabe aus dem Englischen wurde unentgeltlich von einem Kreis von Engagierten übernommen. Auch die Autor*innen hatten ihre Texte unentgeltlich verfasst.

Im Buch finden sich viele Begriffe, die vielleicht nicht allen Leser*innen sofort verständlich sein werden. Manche haben die Übersetzer*innen in eigenen Anmerkungen erläutert und dies entsprechend kenntlich gemacht. Solche Begriffe, die häufig vorkommen, sind mit einem Pfeil versehen und finden sich in einem Glossar, das es in der englischen Ausgabe nicht gibt und das der Verlag zusammengestellt hat.

Damit möglichst viele Leute das Pluriversum-Buch lesen können, steht es kostenlos online. Weil aber das Lesen auf Papier viel schöner ist als am Bildschirm, sollte es auch preiswert zu haben sein, trotz des großen Seitenumfangs. Statt aufwändiger Anträge auf Fördermittel wurden Spenden gesammelt, um die Herstellungskosten so mitzufinanzieren, dass am Ende ein Preis von nur 15 Euro möglich wurde.

Was jetzt not-wendig ist

Angesichts der begründeten Zukunftsangst skizziert Wolfgang Sachs drei Narrative, die „der Festung, des Globalismus und der Solidarität.“ Das Festungsdenken sei gekennzeichnet durch einen Neo-Nationalismus mit autoritären Führern und Fremdenhass. Dagegen beschwöre der Globalismus einen möglichst deregulierten, freien Welthandel mit grünem Wachstum. Im Narrativ der Solidarität fordere die Zukunftsangst „den Widerstand gegen Machthaber, die als Garanten für die Ellenbogengesellschaft und kapitalistisches Gewinnstreben auftreten. Stattdessen stehen hier die Menschenrechte und die ökologischen Prinzipien hoch im Kurs, die Marktkräfte sind nicht Selbstzweck, sondern Mittel zu diesen Zielen.“

Aber wie kann dieses Narrativ der Solidarität gestärkt werden? Alberto Acosta schreibt im Vorwort zur deutschen Ausgabe: „Zweifellos liegt noch ein langer Weg vor uns, aber es werden immer mehr Schritte unternommen, um den Menschen wieder als Teil der Natur, ja sogar als Natur selbst, und nicht mehr als deren Besitzer und Beherrscher, zu positionieren. Die Bemühungen, sich wieder mit der Natur zu verbinden, tauchen aus vielen Ecken des Planeten auf.“

Eine Vielfalt solcher Bemühungen – nicht erschöpfend, aber doch eine beeindruckend diverse Sammlung – liegt mit diesem Buch vor. Es will laut Acosta „Ausdruck eines Prozesses des permanenten Widerstands und der Emanzipation sein, der Dekolonisierung des Denkens und der Wiederbegegnung mit den kulturellen Wurzeln der Völker der Erde und auch der Bedingungen unseres eigenen Menschseins als Natur (condición humana de Naturaleza). Von dort aus ist es möglich, sich – entsprechend der indigenen Pachamama – einen zivilisatorischen Wandel vorzustellen und ihn zu gestalten, der auf das menschliche Überleben auf dem Planeten und das gute Leben für alle ausgerichtet ist.“

In diesem Sinne ist das Buch all jenen gewidmet, „die für das Pluriversum kämpfen, indem sie sich gegen Ungerechtigkeit wehren und nach Wegen suchen, in Harmonie mit der Natur zu leben.“ Trotz der mitunter recht akademischen Sprache spricht dieses „Lexikon des Guten Lebens für alle“ weit mehr Sinne an als ‚nur’ den Intellekt. So kann die Vielfalt der Erfahrungen und Gedanken den Blick auf die Welt weiten und zu eigenem rebellischen Handeln inspirieren.

Möge das Gelesene und das Wissen um die Existenz dieses Buches weitergegeben und verbreitet werden. Es gibt nicht die eine Wahrheit, sondern eine Vielzahl von Perspektiven und Wegen, die nach einem Guten Leben für Alle suchen. Lasst uns in diesem Sinne zusammenkommen, um gemeinsam am Pluriversum zu bauen.

Ashish Kothari, Ariel Salleh, Arturo Escobar, Federico Demaria, Alberto Acosta (Hg.): Pluriversum – Ein Lexikon des Guten Lebens für alle, Ende September 2023, bei AG SPAK Bücher, Neu-Ulm, ISBN 978-3-945959-67-1, 326 Seiten, 15,00 Euro, und kostenlos online: http://www.agspak.de/pluriversum

Grupo Sal: www.grupo-sal.de

Hinweise zur Transparenz: Die Übersetzung des Pluriversum-Buchs habe ich initiiert und selbst an der Übersetzung mitgewirkt (unentgeltlich, wie alle anderen auch). In diesem Beitrag habe ich Zitate aus meinem Nachwort zur deutschen Ausgabe übernommen, ohne dies gesondert kenntlich zu machen.

Der Artikel von Elisabeth Voß erschien bei der Freitag Community.

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